Pionier

Interview im Walliser Bote über Chancen im Weinbau

Walliser Bote 04. Feburar 2022. Er gilt als Vorzeige-Winzer und wird regelmässig mit Auszeichnungen prämiert: Diego Mathier über Önotourismus, Pinot noir und worauf er sich in der Nach-Pandemie-Zeit am meisten freut.

Diego Mathier, Sie haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Branchenpreise gewonnen. Am Donnerstag wurde Ihnen der «Global best of Wine Tourism»‑ Award überreicht. Was machen Sie besser als andere Winzer?

Ich würde sagen, wir machen es vor allem anders als die anderen. Was den Wein selbst anbelangt, haben unsere Vorfahren eine Riesenvorarbeit geleistet. Um guten Wein zu produzieren, braucht man gute Reblagen. Denn der Wein wird im Rebberg gemacht, nicht im Keller. Im Keller kann man ihn dann aber verfeinern und veredeln. Da können
wir auf die Unterstützung eines tollen Teams zählen.

Sie bieten nicht nur Weine an, sondern auch Degustationen und Wanderungen durch die Rebberge. Welchen Stellenwert hat Weintourismus für Ihren Betrieb?

Wir sind gerade dabei, den Önotourismus in unserer Region aufzubauen. Denn wir sind überzeugt davon, dass die Gäste an Orten, an denen sie schöne Ferien verbringen, eher Wein kaufen. Man muss den Leuten zudem Ideen geben, was sie hier unternehmen können. Wir haben für unsere Gäste fast 150 Vorschläge zusammengestellt – mit Wanderungen, Velotouren, Bars, Restaurants und vielem mehr. Das sind alles Aktivitäten, die wir auch als Familie gerne unternehmen. Es geht uns darum, dass der Kunde während seines Aufenthalts hier so viel erlebt wie sonst nirgendwo.

Ist es also das individuelle, persönliche Erlebnis, das den Ausschlag gibt?

Genau. Wir sehen das an unserem Bed & Breakfast, das wir Anfang 2020 eröffnet haben: Inzwischen gibt es Gäste, die schon mehrere Male zurückgekommen sind und immer wieder andere Leute mitgebracht haben. Viele sind gekommen, ohne unseren Wein zu kennen, und sind als Freunde des Salgescher Weins wieder nach Hause gefahren. Und auf der anderen Seite sind es unsere Region und die tollen Angebote, die wir hier in jeder Jahreszeit bieten können, die überzeugen.

Die letztjährige Weinernte war die schwächste seit Beginn der Aufzeichnungen. Stellt das ein Problem für Ihren Betrieb dar?

Klar, wenn man weniger Wein zum Verkaufen hat, ist das ein grosser Nachteil. Es bräuchte aber schon zwei ganz schlechte Jahre, bis es prekär wird für uns. 2021 war ein Jahr, das qualitativ gut, aber mengenmässig schlecht war. Wir hoffen jetzt natürlich, dass das aktuelle Jahr besser wird.

Wie haben sich die letzten beiden Pandemiejahre auf den Weinverkauf ausgewirkt?

Das war nicht viel schlechter, einfach anders. Wir sind normalerweise relativ oft an Messen präsent, was natürlich ganz weggefallen ist. Es war eine Herausforderung, den Kontakt mit den Kunden auf andere Art und Weise herzustellen. Unser Önotourismus-Konzept hat uns da sehr geholfen: Die Leute kamen nach Salgesch, haben hier übernachtet und vor Ort Wein degustiert. Vor allem sind natürlich Social Media und digitale Vertriebskanäle wichtiger geworden. Aber natürlich freue ich mich schon extrem auf die Zeit nach der Pandemie, wenn man wieder ein Glas Wein zusammen degustieren kann und direkt Rückmeldung vom Kunden bekommt.

Keine Winzerfeste, kaum Touristen, weniger Absatz in der Gastronomie: Es gab eine Zeit, da waren die Weinkeller voll, die Winzer wussten nicht wohin mit dem neuen Wein. Hat sich diese Problematik entschärft?

Im letzten Jahr wurden im Wallis 16,5 Millionen Liter Wein geerntet – in einem normalen Jahr wären es gut 35 Millionen. Es gibt sicher Kellereien, die mehr als genug Wein an Lager hatten. Unsere Lagerbestände waren relativ moderat. Es hängt auch stark davon ab, wo man seinen Wein absetzt. Wir verkaufen vor allem an Privatkunden und an die Gastronomie. Wenn man an Grossverteiler verkauft, war sicher etwas mehr Druck da.

In diesem Zusammenhang wurde auch darüber diskutiert, ob es im Wallis zu viele Kellereien und Weinproduzenten gibt. Wie sehen Sie das?

Meiner Meinung nach ist Vielfalt etwas Schönes. Es ist aber wahr, dass es für Kleinstbetriebe in der Branche immer schwieriger wird. Was ich wirklich bedauere: Früher hatte in Salgesch fast jede Familie eigene Reben. Es war immer schön, wenn im Herbst das ganze Dorf am Wimden war. Diese Zeiten sind vorbei. Es gibt schon jetzt viel weniger Weinbauern und Kellereien.

Mit gut 4700 Hektaren liegt ein Drittel des SchweizerWeinbaugebiets im Wallis. Hat das Wallis zu grosse Rebflächen?

Nein, absolut nicht. Ich finde eher, dass es einen Strukturwandel braucht und dass wir den Direktverkauf und den Verkauf an die Gastronomie erhöhen müssten.

Es hiess auch, es gebe zu viel Pinot noir. Stimmt das?

Ich bin jetzt seit 20 Jahren in der Branche und ich habe schon alles Mögliche gehört. Früher hiess es, es gebe zu viel Fendant und danach halt Pinot noir. Eine Zeit lang gab es ein Überangebot davon bei den Grossverteilern. Das ist nicht unbedingt, was man anstrebt. Ich bin der Meinung, dass man marktkonform produzieren muss. Pinot noir ist für mich die edelste Rotwein-Sorte und hat natürlich eine Daseinsberechtigung.

Dann sind Sie wohl auch nicht der Ansicht, dass es weitere Erntebeschränkungen braucht?

Nein, ich finde, dass im Zusammenspiel mit den festgelegten Höchstbeträgen eine sogenannte Klimareserve sinnvoll wäre. Dann könnten Winzer den Wein aus üppigen Jahren, zum Beispiel aus dem Jahr 2018,zurückbehalten und in schlechten Jahren, wenn zu wenig Wein produziert wird, wie es 2021 der Fall war, auf den Markt bringen.

Der Walliser Staatsrat hat Unterstützungsgelder von 14 Millionen Franken für die von den ausserordentlichen Klimaereignissen des Jahres 2021 betroffenen Traubenproduzenten beantragt. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin eigentlich nicht für Subventionen, aber 2021 war für die professionellen Weinbauern so ein schlechtes Jahr, dass ich davon ausgehe, dass doch einige in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Deshalb befürworte ich eine Unterstützung der Weinbauern für die Ernte 2021.

Welche Herausforderungen sehen Sie in den kommenden Jahren auf die Walliser Weinwirtschaft zukommen?

Die Herausforderungen des letzten Jahres waren Frost und Regen, deshalb gab es auch Probleme mit Falschem Mehltau. 2021 ist damit nicht ein Jahr zum Vergessen, sondern ein Jahr zum Lernen, damit wir für die Zukunft gewappnet sind. Der zweite Punkt: Wenn man langfristig selbstständig bleiben will, muss man seine eigenen Kunden haben – Privatkunden, Gastronomie oder Grossisten. Das wird immer schwieriger, denn die Kunden werden immer anspruchsvoller. Da wird man sehr viel Geld investieren müssen, um auf der Höhe zu bleiben.
Und auch hier könnte Önotourismus eine wirkungsvolle Massnahme sein.

Der «Global Best of Wine

Tourism»-Award Bei der Jahreskonferenz der Great Wine Capitals vergangenen Oktober in Mainz verlieh die Jury den renommierten internationalen «Global Best of Wine Tourism»-Award dem Weingut Adrian & Diego Mathier Nouveau Salquenen. Great Wine Capitals zeichnet jährlich Unternehmen oder Projekte aus, die für die Förderung des nachhaltigen Weintourismus auf regionaler oder nationaler Ebene beispielhaft sind. Zudem wurde die Weinkellerei mit dem weltweiten Publikumspreis in der Kategorie «Wine & Tourism Services» ausgezeichnet. Am Donnerstagmorgen fand in den Lokalitäten von Adrian & Diego Mathier Nouveau Salquenen in Salgesch die Preisübergabe statt, in Anwesenheit von Staatsrat Christophe Darbellay und Robert Cramer, Präsident von Swiss Wine Promotion.