Weinstratege

Walliser Weinstratege

Sonntagsblick, 21.6.2015 – Diego Mathier macht ohne Önologiestudium den besten Schweizer Wein fand die Jury für die Decanter World Wine Awards. Es ist sein erster Jahrgang eines Weissen.

Die Preisverleihung ist vorbei. Diego Mathier hat eine der 114 Regional Trophies an den Decanter World Wine Awards im Wein-Mekka Bordeaux erhalten. Doch den 45-Jährigen ziehts noch nicht nach Hause. Ein sofortiger Rückflug kommt nicht in Frage. Denn am Tag danach lockt die Möglichkeit, alle 35 Weine zu degustieren, die eine International Trophy einheimsten. Also die Allerbesten der Besten aus 16 000 eingereichten Weinen. So eine Gelegenheit lässt sich Mathier nicht entgehen.

Die Seelenverwandtscha! mit dem grossen Angelo Gaja
Diese Neugierde ist typisch für den Selfmade-Winzer aus Salgesch VS. Als das Gespräch zum piemontesischen Überwinzer Angelo Gaja abschweift, fragt Mathier sofort: «Wenn Sie ihn das nächste Mal besuchen, nehmen Sie mich mit?» Mathier steht nie still. Er will neues ausprobieren und von den Besten lernen. Eine gewisse Seelenverwandtschaft mit dem ebenfalls genialen Marketingstrategen Gaja ist nicht von der Hand zu weisen. Dabei wusste Klein Diego lange nicht, ob das Winzerdasein wirklich das Richtige für ihn und seine Ansprüche sei. Er studierte Rechnungswesen und Finanzen an der Hochschule St. Gallen. Als Banker verbrachte er mehr Zeit im Ausland als in der Heimat im beschaulichen Salgesch. Der nächste Job sollte ihn nach New York führen. Der Vertrag war bereits unterschrieben. Da pfeift ihn sein Vater Adrian zurück: Es sei nun Zeit, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Wie das im patriarchalischen Oberwallis so ist, gehorcht Diego. Und seit dem Jahr 2000 trägt der Finanzökonom die Verantwortung für fast eine Million Flaschen pro Jahr. Was Zahlen bedeuten, muss man den Ex-Banker nicht lehren. Auch nicht, dass man nicht darüber spricht. Die Frage nach dem Firmenumsatz beantwortet er nicht. Da ist Mathiers Gedächtnis ähnlich schlecht wie jenes seines Walliser Landsmanns Christian Constantin, dem exzentrischen Bauunternehmer und Präsidenten des FC Sion. Und die Weinproduktion? Geht die, ganz ohne Winzerlehre und Önologiestudium? «Ich bin mit dem Wein aufgewachsen», sagt Mathier. «Wein spürt man. Das ist Gefühlssache. Und ich habe mit Cédric Leyat einen exzellenten Önologen.» Und seine Frau Nadia, seine Partnerin in der Firma und der Familie. Fünf Töchter haben die beiden.

Mathiers Kreationen tre!en den Weinzeitgeist millimetergenau
Zwei Mal war Mathier Schweizer Winzer des Jahres. Und nun der Erfolg am wichtigsten und grössten Degustationsanlass. 85 Masters of Wine und 23 Master Sommeliers sassen in der Jury. Den Titel erlangte Diego Mathier mit einem ganz neuen Wein: Mit dem ersten abgefüllten Jahrgang des weissen Ambassadeur des Domaines. Die Assemblage ist das Resultat einer langen Entwicklungszeit. «Es ist der erste Jahrgang. Aber an diesem Wein pröbeln wir schon seit fünf Jahren. Erst als der Wein dem Bild entsprach, das ich von ihm im Kopf hatte, gab ich mein Go. Ich bin ein strategischer Weinmacher», sagt Mathier. Er ist ein Stratege, der mit seinen Kreationen den Weinzeitgeist millimetergenau tri!t. In einer Garage ein paar hochstehende Barriques hinzukriegen, ist keine Hexerei. Aber eine Million Flaschen pro Jahr herzustellen und alle in Eigenregie an Privatkunden und an die Gastronomie zu verkaufen, das muss ihm erst mal einer nachmachen. Nicht einmal ein Bericht in der TV-Sendung «Rundschau», in dem ein portugiesischer Traubenhändler Mathier der Schwarzeinkelterung bezichtigte, konnte ihm etwas anhaben. Er lässt sich seine Zahlen von der Schweizer Weinhandelskontrolle und dem Walliser Kantonschemiker bescheinigen, informiert seine Kunden und vergeudet weder Geld noch Energie darauf, auf die SRG loszugehen. Umsatzeinbruch? Im Gegenteil. «Wir erlebten eine ungeahnte Welle der Solidarität», so Mathier. Das Surfen auf der Erfolgswelle geht also ungebrochen weiter. Und so wird die Zahl der Neider nicht kleiner werden. So geht das im Wallis.