Vielleicht kennen Sie die abschätzige Bemerkung: «Jamais Gamay – Gamay nie.» Viele behandeln den Gamay zu unrecht von oben herab. Verweisen auf die billige Massenware des Beaujolais Nouveau. Doch der Gamay erstrahlt längst in neuem Glanz.
So verrückt es klingt, so wahr ist es. Der Gouais Blanc (dt. Heunisch), Gwäss im Oberwallis, ist ein ganz schöner Casanova. Er ist die Elternsorte von mehr als 80 europäischen Rebsorten wie Chardonnay, Gamay, Riesling oder Blaufränkisch. Aus Frankreich ist die Rebe verschwunden – im Oberwallis ist der Gwäss geblieben, seit 1540. Die Traube ist sehr ertragsreich und gegen Frühjahrsfrost resistent, aber anfällig für Fäulnis. Es sind stark säurebetonte Weine mit Noten von der Birne. Obwohl die Weissweinsorte Gouais Blanc beinahe ausgestorben ist, war sie mit ihrer Evolution der Vielfalt eine der bedeutendsten Rebsorten Europas.
Mönche förderten im 13. Jahrhundert stark den Weinbau im Burgund. Sie erkannten den Einfluss des Terroirs auf die Weinqualität, pflanzten den Gamay, benannt nach einem gleichnamigen Dorf an der Côte d’Or. Die Rebe reifte sehr zuverlässig und lieferte hohe Erträge, so dass sie bald ein ernster Konkurrent für den empfindlichen Pinot noir wurde. Herzog Philipp der Kühne von Burgund (1363–1404) passte das gar nicht. In seinem berühmten Dekret 1935 bezeichnete er den Gamay als «berüchtigt und unlauter». Er verbot ihn mit dem Argument der Schädlichkeit für die menschliche Gesundheit.
Vom Verbot in den burgundischen Weinbergen profitierte die Qualität des Gamay. An den Granithängen des Beaujolais gedeiht er noch besser als auf dem Kalksteinabbruch der Côte-d’Or. Gamay ist die Rebe des Beaujolais, wo sie 90 Prozent der Rebfläche besetzt. Alle Rotweine des Beaujolais sind aus Gamay gekeltert.
Wie andere Sorten aus dem benachbarten Frankreich kam auch der Gamay in die Schweiz, wo er sich im Laufe des 19. Jahrhunderts im Wallis und der Westschweiz etablieren konnte. Heute wird er hierzulande auf 1430 Hektaren kultiviert, das sind gut acht Prozent der Rebfläche von 15 000 Hektaren. Zusammen mit dem Pinot Noir liefert der Gamay bekannte Assemblagen wie Dôle (Wallis) und Salvagnin (Waadtland).
Diego Mathier, der Schweizer Winzer des Jahrzehnts, hat es früh erkannt. Schon seine Familie hatte die Gamay-Rebe an erstklassigen Lagen rund um Salgesch angebaut. Deren Stöcke liefern rubinrote Weine von grosser Fruchtigkeit und Eleganz. Diego macht der lange verkannten Sorte Gamay in der Weinlinie «La Tradition» mit dem Namen «Mephisto» eine schöne Liebeserklärung. Mephisto? In Goethes Tragödie erscheint Mephisto dem geplagten Faust. Er verspricht ihm die Erfüllung aller Wünsche, Macht, Glanz und ewige Jugend. Mephistos Gamay vollendet die alkoholische Gärung unter Hefeeinwirkung im Edelstahltank. Er ist nicht nur saftig und frisch, würzig – er ist er auch ein ausgezeichneter und sehr flexibler Essensbegleiter. Der Gamay Mephisto hat eine rassige Nase mit Aromen von Veilchen. Im Gaumen ist er intensiv und fruchtig, die Tannin-Struktur seidig. Der Wein begeistert mit einem langen, weichem Abgang.
Die Bezeichnung «Dôle» ist die reservierte Bezeichnung für den wohl bekanntesten Rotwein der Schweiz. Dôle ist eine Assemblage (Verschnitt von unterschiedlichen Rebsorten oder Lagen oder Jahrgängen miteinander) – ab April 2021 beträgt der Gehalt von Pinor noir und Gamay 51 Prozent. Wobei der Pinot-Noir-Anteil weiterhin überwiegen muss. Das gibt dem Winzer mehr Freiheit bei der Assemblage.
Die sonnenverwöhnte Reblage der Gemeinde Salgesch, aus der unser Dôle «Sang de l'enfer» stammt, ist im Kataster als «Hölle» eingetragen – einer der allerbesten Reblagen des Weindorfes Salgesch. Dem «Sang de l'Enfer» verleiht der Pinot noir Rasse, Noblesse und sein Bouquet. Der Gamay zeichnet für die Fruchtigkeit, die Eleganz und Robustheit.
Gamay Mephisto
Die rassige Nase mit Aromen von Veilchen ergänzt durch die intensive Fruchtigkeit im Gaumen mit seidiger Tanninstrukur. Der lange und weiche Abgang vollendet den Genuss des Mephisto. Perfekt kombinierbar ist er mit Geflügel, Schweinefleisch, rotem Meeresfisch, mediteranen Teigwarengerichten und Pizza – also ein richtiger Alleskönner.
Sang de l'enfer de Salquenen
Der Pinot Noir verleiht diesem Wein seine Rasse, seine Noblesse und sein Bouquet, wohingegen der Gamay für die Fruchtigkeit und die Robustheit dieses edlen Tropfens verantwortlich ist. Der Sang de l’enfer ist perfekt kombinierbar mit Geflügel, Kalb und Schweinefleisch und walliser Spezialitäten wie Bergkäse und Trockenfleisch.
Headerbild : © Olivier Maire