Vinum, 1.11.2018 – Die Mutter aller CH-Grand-Crus
Qualitative Innovationen sind im Weinbau nicht selten Reaktionen auf Katastrophen. 1982 kellerten die Walliser Winzer fast 80 Millionen Liter Wein ein, doppelt so viel wie in den Vorjahren. Die Traubenpreise fielendrastisch, die Walliser Weinbauszene stand nahe am Kollaps. Zu einer der positivsten Reaktionen rauften sich 1988 die Winzer des Weinbaudorfs Salgesch zusammen und lancierten für ihre Paradesorte, den Pinot Noir, den Grand Cru Salgesch. Mit strengen Vorschriften. Die Trauben mussten von speziell erfassten Parzellen stammen, der Ertrag wurde auf ein Kilo, später auf 800 Gramm pro Quadratmeter beschränkt. Aufzuckerung war verboten und der Einsatz von schwefliger Säure limitiert. Und die Qualität der Weine musste von einer Verkostungskommission garantiert werden. Der vielleicht mutigste Passus betraf den Ausbau. Zu einer Zeit, in der für ambitionierte Pinots die Reifung im Eichenfass gewissermassen zum Standard avancierte, verbot das Grand-Cru-Reglement explizit den Ausbau in Eichenbarriques. Der unverfälschte Charakter der Weine sollte im Vordergrund stehen. Damit förderten die Salgescher Winzer schon vor 30 Jahren eine Pinot-Stilistik, die gegenwärtig wieder mehr Anhänger gewinnt. Bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen des Salgescher Grand Crus diskutierten die Winzer mit Journalisten über den heutigen Stellenwert dieses Qualitätslabels. Dabei wurde auch die Frage gestellt, ob der Pinot Noir angesichts der klimatischen Veränderungen auch künftig der richtige Qualitätsbotschafter für das Salgescher Terroir ist. Gerade die Grand-Cru-Winzer bewiesen, dass mittels Höhe und Ausrichtung der Parzellen, Blatt-Management, Erntezeitpunkt, aber auch Massnahmen in der Vinifikation (etwa Vergärung mit Rappen) heute in Salgesch Pinots entstehen, die mit Frische und Eleganz überzeugen. Und einem erstaunlichen Entwicklungspotenzial. Bei der Vertikalverkostung von Grand-Cru-Pinots bis zurück ins Gründerjahr 1988 zeigten sich gerade die ältesten Vertreter erstaunlich lebendig.
Adrian & Diego Mathier – Salgesch, Schweiz
Pinot Noir Grand Cru 1988
17 Punkte / 2018 bis 2021
Sehr vielschichtige Aromatik mit einer noch immer fast zart wirkenden, leicht süsslichen Beerenfrucht, dazu Wiesenkräuter, dezent erdige Aspekte und ein Anflug von Tee, Unterholz und herbstlichem Laub. Im Gaumen dicht gewoben, mit einer weichen, reif wirkenden Fruchtfülle. Gut strukturiert. Zeigt noch immer viel Charakter und macht Spass zu Trinken.